Andrea Suppmann über Fatma Strößinger

 

Fatma Stroessinger hat von 1989-1992 an der Marmara Universität in Istanbul Malerei studiert bevor sie 1994 bis 2000 ein Kunststudium am Städel bei Professor Hermann Nitsch absolvierte. Ihr farbintensives Werk variiert vielfach die warme Palette der Gelb-, Orange- und Rottöne. F.S. s Malerei ist bei aller Farblastigkeit nicht abstrakt angelegt, sie interessiert sich in hohem Maße für Körperhaftes, insbesondere Fragmente des menschlichen Körpers, gessen Gesten und flüchtige Bewegungen. In fast allen Werken zeigt sich eine an der Farbe und mit der Farbe entwickelte Gegenständlichkeit.

 

In diesem monumentalen Triptychon zeigt sich die Fähigkeit der Farbe Rot, genauer, der Rottöne sich auszudehnen, Raum einzunehmen, Energie auszustrahlen, ihr inneres Brodeln und Glühen spürbar werden zu lassen. Rot ist eine Farbe der Wärme und der Leidenschaft, aber auch eine Farbe der Aggression und der Zerstörung. Das mag sehr plakativ klingen, aber es gibt keine Farbe, die so widersprüchliche Konnotationen vereint, die einen so streitbaren Charakter offenbart.

Kontraste zwischen helleren und dunkleren Rottönen, zwischen lodernd hellen Feuerzungen und fast schwarzen Schluchten, lassen eine Räumlichkeit entstehen, die im Bild rechts fast fluchtende Ausmaße annimmt. Der Farbauftrag gerät ihr nur selten zur ungestümen Malgebärde, meist ist es ein verhalten gestischer Duktus, der ihre Arbeit kennzeichnet. Die Farbe spielt zwar die dominierende Rolle der Bildwirkung, doch ist F.S. keine Farbpuristin, die Abbildhaftigkeit leugnet. In dieser farbgewaltigen Arbeit greift die Künstlerin auf ihre persönlichen Erfahrungswelten zurück, indem sie fotografische Dokumente aus ihrem eigenen Leben auf das Bild collagiert.

 

Trotz Übermalung erkennt man Heirat, Schwangerschaft, das Plakat ihrer ersten Einzelausstellung, daneben die Ansicht eines eingestürzten Hauses während des großen Erdbebens von 1999 in Istanbul, das sie aus nächster Nähe erlebte. Es sind die Wechselfälle des Lebens, die die Künstlerin interessieren, das Auf und Ab der Lebensenergien, die sich in blasenartigen Kreisen, mal als Luftblasen des verschwindenden Lebens, mal als Wasserblasen des entstehenden Lebens darstellen. Selbst der authentische Händeabdruck der Künstlerin, weist auf die persönliche Dimension ihrer Kunst hin. Toröffnungen verbinden die einzelnen Bilder, lassen Glück und Leid miteinander in Beziehung treten, einschneidende Momente eines Lebens, dessen Erzählerin uns aus zentraler Position entgegenlächelt. Dies ist soweit ich ihre Arbeit kenne, eine programmatische Arbeit, eine Art Selbstporträt, das Farbe und Narration auf sehr sinnliche Weise verbindet. Erinnert man sich an den Titel Erdbeben, dann wird die traumatische Erfahrung für uns alle fühlbar. Rote Rinnsale scheinen an manchen Stellen fast zufällig nach unten zu rinnen und die Assoziationen zu Nitschs Schüttelbildern sind hier nicht von der Hand zu weisen.

 

Andrea Suppmann.

Darmstadt im April 2008.